Jusos Konstanz

Für mehr Gerechtigkeit im Kreis Konstanz!

Platz für Meinungen: Sanktionssystem zum ALG II

Veröffentlicht am 03.03.2016 in Aktuelles

In unserer neunen Rubrik  „Platz für Meinungen“ möchten wir verschiedenen Personen ein Forum bieten um ihre Sichtweisen zu bestimmen Themen zu äußern. Bei jedem Thema wird eine Pro und eine Contra Seite vertreten sein. Es sind Meinungen von Personen, die vielleicht sogar Jusos sind, aber es sind keine Verbandsmeinungen. Wir möchten euch die Möglichkeit bieten, euch mit verschiedenen Standpunkten zu beschäftigen und vielleicht sogar selber etwas zum Diskurs beizutragen.

 

Den Anfang macht das Thema „Sanktionssystem im ALG II".

 

 

 

Falsch verstandene Solidarität.

 

 

 

Ein Gesellschaft besteht aus Nehmen UND Geben.

Von Christoph Heetsch


Da einige meiner Genossen und Genossinnen in letzter Zeit vehement die Abschaffung der Sanktionen für ALG-II Empfänger bei Pflichtverstößen fordern, möchte ich auch etwas zur Diskussion beitragen.

Zunächst einmal halte ich, im Gegensatz zu vielen anderen Genossen und Genossinnen, die Agenda 2010 für eine der wichtigsten und richtigsten Entscheidungen in der jüngeren Vergangenheit. Diese Strukturreform hat Deutschland stärker, widerstandsfähiger und in Zeiten der Weltwirtschaftskrise auch stabiler gemacht. Dieser Stabilität haben wir es auch zu verdanken, dass wir unseren Europäischen Partnern und Partnerinnen in diesen Zeiten helfen konnten.

Das ALG-II ist eine Grundsicherung. Nichts desto trotz muss die Agentur für Arbeit eine Möglichkeit haben, das Ziel der Integrierung des Leistungsempfängers/ der Leistungsempfängerin in den Arbeitsmarkt Nachdruck zu verleihen. Dafür wurden eben jene Sanktionen eingeführt, über welche sich nun alle so vortrefflich aufregen. Es geht hier mitnichten darum jeden zu bestrafen, der nicht „spurt“. Es geht darum die wenigen, welche von der Gesellschaft nur nehmen wollen, dazu zu bringen der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Ich spreche hier von einem kleinen Teil von ALG II Empfänger_innen, die nicht arbeiten wollen. Und dies können wir in einer Gesellschaft, die auf Solidarität basiert, nicht ohne weiteres hinnehmen.

Ein weiteres Argument der Gegner und Gegnerinnen der Sanktionen ist, dass oft Sanktionen zu unrecht verhängt werden. Dies als Argument anzuführen um die Sanktionen abzuschaffen ist nicht ansatzweise logisch begründbar. Man muss an dieser für eine bessere Schulung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sorgen und den Spielraum für Fehler minimieren. Deswegen aber das komplette System abzuschaffen ist kein besonders heroischer Weg, sondern eher einer der von mangelndem Willen zur Verbesserung zeugt.

Es sei an dieser Stelle gesagt, dass es natürlich Dinge gibt die überarbeitet werden müssen. Zum Beispiel die Ungleichbehandlung von verschiedenen Altersgruppen oder die generelle Höhe des ALG II.

Man kann immer etwas verbessern. Auch das Sanktionssystem. Doch das komplette System abzuschaffen wäre ein Fehler.

 

 

Gegen die Hartz-4-Machinerie 

Warum Politik mehr mit Psychologie zu tun hat, als die meisten vermuten würden.

Von Fee Arabella Traut

Der Mensch ist träge, faul und muss mit externen Anreizen zum Arbeiten „motiviert“ werden. Durch seine Arbeitsunlust muss er meistens gezwungen, gelenkt, geführt und mit Strafe bedroht werden, damit er einen produktiven Beitrag leistet.

Diese Theorie ist alt, ja, veraltet, für viele Menschen, vornehmlich Linke, sowieso. Für das Hartz4-System und jene, die es aufrechterhalten (wollen), scheinbar nicht. Schade.

Sanktionen sind Elementar für das ganze Hartz4 System. Sie tragen dafür Sorge, dass Empfänger_innen jedes angebotene, zumutbare Arbeitsangebot annehmen müssen. „Zumutbar“ ist dabei alles, was legal und ‚nicht sittenwidrig‘ ist. Aha. Bei der gehuldigten „Integration in den Arbeitsmarkt“ wird sich also nicht darum gekümmert, welche Qualifikation du hast, was du kannst, was du möchtest. Dein neuer Arbeitgeber: das Jobcenter. Arbeits-/Wohnungs-/Lebensverwalter.

Jede Ablehnung führt dazu, dass die Regelleistung für drei Monate um 30 Prozent gesenkt wird. Jede weitere Ablehnung einer beliebigen Arbeit zieht die gleiche Rechtsfolge nach sich. Dies kann dann dazu führen, dass sich mehrere Minderungszeiträume überschneiden. Die Minderungen werden bei Überschneidungen addiert, so dass es zu einer Minderung von 60, 90 und mehr Prozent, bis hin zu Beschneidungen bezüglich der vom Amt finanzierten Unterkunft kommen kann. Problematisch dabei ist, dass bereits die geringste Kürzung der Hartz IV Leistungen den hilfebedürftigen Menschen unter das Existenzminimum und immensen psychischen, sowie existentiellen, Druck setzt. Egal ob für versäumte Termine, Fristen oder die Ablehnung eines beliebigen Jobangebots. Schrittweise ist dadurch ein System des Misstrauens, der Überwachung und Bevormundung entstanden. Statt Hilfe und Unterstützung bei ihren eigenen Anstrengungen erfahren die Menschen einen bürokratischen Apparat, der sie entwürdigt und maßregelt. Sanktionen behandeln erwachsene Menschen wie unmündige Kleinkinder, denen ein_e Erziehungsberechtigte_r sagt,  was es zu tun und zu lassen hat. Zuckerbrot und Peitsche? Wohl eher Scheiße und Peitsche. Du hast die Wahl!

Die Sanktionen und das Hartz4 System zu „verbessern“ halte ich für unmöglich, denn es gründet sich auf der zu Beginn einleitend beschriebenen Theorie. Das System aus Langzeitarbeitslosen reproduziert sich damit nicht nur selbst, sondern auch die damit einhergehende gesellschaftliche Stigmatisierung des „arbeitsfaulen Leistungsempfängers“. „Rumhartzen“ als Euphemismus einer erniedrigenden Lebenswirklichkeit von Millionen Menschen, die durch das Diktat der Arbeitsvermittler_innen in sogenannten „arbeitsbeschaffenden Maßnahmen“ oder Ein-Euro-Jobs festhängen. Billige Arbeitskräfte, menschliche Abfälle des Kapitalismus, flexibel recycle- ähm „einsetzbar“.

Funfact: Jeder abseits dazu verdiente Euro wird mit den Leistungen verrechnet, darunter ist grundsätzlich jede Einnahme in Geld oder Geldeswert zu verstehen - auch Geldgeschenke, sofern Sie im Jahr (!) die Summe von 50 Euro (!) übersteigen.

OkOkOk, diese linken Zecken zicken mal wieder. Wüten gegen dieses und jenes System und wissen selbst nicht so genau, was danach kommen soll. Oder?

Die Sanktionen abzuschaffen, wäre richtig und wichtig. Das System jedoch hin zum bedingungslosen Grundeinkommen zu transformieren, wäre in jedem Fall wirkungsvoller. Man nehme einen großen Topf und sammle darin jede Hartz4 Leistung, eingeschlossen jeglicher Regelbezüge und nicht zu vergessen der Aufstockungssätze, derer, die trotz regulärer Arbeit mit Sozialleistungen aufstocken mussten, um über die Runden zu kommen. Vor allem Letzteres macht einen nicht unerheblichen Betrag aus. Weg mit dem vom Sozialstaat übers Hintertürchen subventionierten Niedriglohnsektor und den beschönigten Arbeitslosenstatistiken, die einen positiv Trend in Richtung Vollbeschäftigung suggerieren und etliche Menschen anhand falscher Etikettierung (Maßnahmen etc.) gar nicht erfassen! Her mit einem – bedingungslosen(!), nicht kürzbaren, und niemals das Existenzminimum eines Menschen unterschreitenden – Grundeinkommen! Der Topf voll Geld wäre da.

Der Mensch ist ein soziales Wesen, das nach Freiheit, Sicherheit und Selbstbestimmung strebt. Leistungsbereitschaft, gesellschaftliche Partizipation, Kreativität sind sein Antrieb von Innen. Gibt man ihm Freiraum und Handlungsmöglichkeiten, sind seine existentiellen Bedürfnisse gesichert und er kann sich ohne Zwang entfalten um effektives Mitglied einer Solidargemeinschaft zu sein. Die freiwillige, zusätzliche Arbeit würde damit vermutlich sogar sowohl innovativer, als auch produktiver werden.

Quellen:

Sanktionsfrei.de; hartziv.org; huffingtonpost.de; linksfraktion.de; sozialisten.de; Theorie X & Y McGregor 

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